Der Gestaltungsbeirat von Regensburg - ein fragwürdiges Unternehmen

Von Dieter Baldauf, Stadtdirektor a. D.

Im Jahre 2002 hat das Planungs- und Baureferat der Stadt Regensburg eine farbenfroh bebilderte 52seitige Broschüre herausgegeben: "Gestaltungsbeirat. Ein Zwischenbericht 1998 - 2001". Nach dem Vorwort des Planungs und Baureferenten der Stadt soll darin " eine Auswahl von Projekten " - gemeint sind Bauvorhaben - " vorgestellt werden mit dem Ziel, die Veränderungen durch die Einwirkung des Gestaltungsbeirates zu dokumentieren. Ich hoffe, " so der Referent, " allen Lesern wird ersichtlich, welcher Gewinn für die städtebauliche und architektonische Entwicklung Regensburgs die Einrichtung dieses unabhängigen Gremiums aus erfahrenen und angesehenen Architekten darstellt. "

So kann man das Wirken des Regensburger Gestaltungsbeirates beurteilen, wenn man nur den gestalterischen Aspekt würdigen will. Es gibt jedoch noch andere Aspekte, die hier beleuchtet werden sollen, nämlich:

  • Die Funktion einer Baugenehmigungsbehörde als Gesetzesvollzugsbehörde,

  • das Selbstverständnis einer Stadt als Baugenehmigungsbehörde,

  • die Lage von Bauinteressenten und Architekten im Baugenehmigungsverfahren und

  • die Bedeutung von Gestaltungsfragen für die bauliche Entwicklung einer Stadt.

  1. Der Gestaltungsbeirat

Zunächst sollen die Aufgaben, die Zusammensetzung, die Zuständigkeiten und die Funktion des Regensburger Gestaltungsbeirates kurz dargestellt werden. Sie ergeben sich großenteils aus einer vom Stadtrat von Regensburg beschlossenen "Geschäftsordnung des Beirates für Stadtgestaltung der Stadt Regensburg – Gestaltungsbeirat Regensburg - GBR" vom 30. 4. 19981. Nach § 1 der Geschäftsordnung hat der GBR die Aufgabe, "die ihm vorgelegten Vorhaben im Hinblick auf städtebauliche, architektonische und gestalterische Qualitäten zu überprüfen und zu beurteilen. Gegebenenfalls benennt er Hinweise und Kriterien zur Erreichung dieses Ziels."2 Der GBR setzt sich aus fünf vom Stadtrat zu berufenden Mitgliedern zusammen. Diese sind "Fachleute aus den Gebieten Städtebau, Landschaftsplanung und Architektur". Sie dürfen ihren Wohn- oder Arbeitssitz nicht in den Regierungsbezirken Oberpfalz und Niederbayern haben, mindestens ein Mitglied muss aus dem Ausland3 sein. Jeweils im Turnus von zwei Jahren findet ein bestimmter Wechsel in der Zusammensetzung statt (§ 2).

Die wichtigsten Zuständigkeiten des GBR sind (§ 4):

  • Obligatorische Befassung bei allen Vorhaben, die "aufgrund ihrer Größenordnung und Bedeutung für das Stadtbild prägend in Erscheinung treten“,

  • fakultative Befassung "bei sonstigen Vorhaben von Bedeutung für das Stadtbild“; hier entscheidet über die Befassung die Geschäftsstelle, nämlich das dem Planungs- und Baureferat der Stadt zugeordnete Bauordnungsamt.

Aus der Praxis der Stadt ergibt sich, dass letztlich alleiniges Kriterium für die Befassung des GBR das Volumen eines Bauvorhabens ist. Der Begriff " Stadtbild“ wird nicht im Sinne des Gesamtstadtbildes4 verstanden – das durch einzelne Bauvorhaben ohnedies nur ganz selten beeinflusst werden kann - , sondern im Sinne von Einzelbaumaßnahmen, die dann erst in ihrer Summe irgendwie ein Stadtbild ergeben. Das einzelne Bauvorhaben, das die Zuständigkeit des GBR begründen kann, ist daher eventuell - außer vom Hubschrauber aus - nur wahrnehmbar, wenn der Betrachter unmittelbar davor steht.

Über die Wirkungen des Votums des GBR sagt die Geschäftsordnung wenig aus. Nach den Vorbemerkungen der Geschäftsordnung unterstützt der GBR „als unabhängiges Sachverständigengremium den Oberbürgermeister, den Stadtrat und die Verwaltung". Zunächst liegt daher die Annahme nahe, die Stadt könne sich über ein – positives oder negatives - Votum des GBR auch hinwegsetzen, wenn sie gegenteiliger Auffassung ist. Etwas deutlicher wird da schon § 8 der Geschäftsordnung, überschrieben mit „Wiedervorlage“: „Erhält ein Vorhaben nicht die Zustimmung des Beirats, so ist dem Bauherrn die Möglichkeit zur weiteren Bearbeitung einzuräumen. Der Beirat gibt die Kriterien hierfür bekannt. Das Vorhaben ist dem Beitrat wieder vorzulegen.“ Nicht ausdrücklich geregelt ist die Frage, was geschehen soll, wenn der Bauherr sich weigert, eine weitere Bearbeitung vorzunehmen, oder wenn das Vorhaben auch nach Wiedervorlage nicht das Plazet des GBR erhält. Die Frage hat aber der Planungs- und Baureferent von Regensburg in seinem Vorwort zur Broschüre von 2002 klar beantwortet: „Er“ – der GBR – „soll ... der Verwaltung gegenüber Empfehlungen formulieren, die diese als für sich selbst bindend ansieht. Stadtrat und Oberbürgermeister ... akzeptieren die Vorgaben, die vom Beirat formuliert werden.“

  1. Die Funktion einer Baugenehmigungsbehörde als Gesetzesvollzugsbehörde

Bei der Entscheidung über Baugenehmigungen ist die Behörde – und selbstverständlich auch eine kreisfreie Stadt – nicht im gesetzesfreien Raum tätig, sondern sie hat Gesetze zu vollziehen, insbesondere das Baugesetzbuch und die einschlägige Landesbauordnung. Die hier maßgebliche Bayerische Bauordnung (BayBO) bestimmt in Art. 72 Abs. 1 Satz 1 klar: „ Die Baugenehmigung darf nur versagt werden, wenn das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht, die im bauaufsichtlichen Verfahren zu prüfen sind ...“. Ein Ermessen kommt der Baugenehmigungsbehörde also grundsätzlich nicht zu. Das gilt auch für Fragen der Baugestaltung. Es kann also nur die Frage sein, welche öffentlich-rechtlichen Vorschriften für die Gestaltung jeweils gelten.

Die BayBO enthält allgemeine Anforderungen an die Baugestaltung in Art. 11, und zwar

  • das Gebot, bauliche Anlagen nach den anerkannten Regeln der Baukunst durchzubilden (Abs. 1/ 1. Halbsatz),

  • das Gebot, bauliche Anlagen so zu gestalten, dass sie nach Form, Maßstab, Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander, Werkstoff und Farbe nicht verunstaltend wirken (Abs. 1/ 2. Halbsatz) und

  • das Gebot, bauliche Anlagen mit ihrer Umgebung derart in Einklang zu bringen, dass sie das Straßen-, Orts- oder Landschaftsbild nicht verunstalten (Abs. 2 Satz 1)5.

Das erste dieser drei Gebote, das Durchbildungsgebot, wird nur bei einem Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Baukunst verletzt, Regeln also, die jeder auch nur halbwegs durchschnittlich befähigte Architekt beherrschen muss. Eine besondere gestalterische Qualität müssen dem Durchbildungsgebot entsprechende bauliche Anlagen nicht aufweisen. Einen Verstoß gegen das Durchbildungsgebot, zu dessen Feststellung besonders qualifizierte Fachleute erforderlich wären, kann es schon begrifflich nicht geben.

Es bleiben die beiden Verunstaltungsverbote, das anlagenbezogene und das umgebungsbezogene. Für den Begriff der Verunstaltung gibt es eine das gesamte Bundes- und Landesbaurecht beherrschende Standarddefinition: Verunstaltung ist ein hässlicher Zustand, der das ästhetische Empfinden eines für ästhetische Eindrücke offenen Betrachters, also das ästhetische Empfinden des sog. gebildeten Durchschnittsbetrachters, verletzt6. Danach genügt für die Annahme eines Verstoßes gegen das Verunstaltungsverbot weder bloße Unschönheit noch kommt es auf das ästhetische Empfinden eines besonders empfindsamen oder geschulten Betrachters an.

Zusammenfassend lässt sich zu Art. 11 BayBO (und zu den entsprechenden Vorschriften anderer Landesbauordnungen) feststellen, dass die Bestimmung den Behörden keine positive Pflege der Baukultur gestattet, die über den Maßstab des Durchschnittsbetrachters hinausgeht7. Ob diese Regelung befriedigend ist, kann in unserem Zusammenhang dahinstehen, es ist jedenfalls die für die Behörden verbindliche geltende Rechtslage.

Dieser Rechtslage widerspricht die GBR-Praxis der Stadt Regensburg deutlich. Die dem Gestaltungsbeirat vorgelegten Baufälle waren (und sind wohl auch künftig) überwiegend solche des unbeplanten Innenbereiches im Sinne des § 34 des Baugesetzbuches außerhalb der historischen Altstadt. Denkmalschützerische Anforderungen oder örtliche Bauvorsrschriften galten und gelten in den meisten Fällen nicht. Zu beachten war in gestalterischer Hinsicht also meist nur Art. 11 BayBO (und der insoweit ebenfalls nicht weiterführende § 34 Baugesetzbuch). Die Mitglieder des GBR sind aber gerade nicht die gebildeten Durchschnittsbetrachter, auf deren Gestaltungsempfinden das Gesetz abstellt, sondern – selbsverständlich gebildete – Fachleute mit hohen Gestaltungsansprüchen und einem entsprechenden missionarischen Sendungsbewusstsein. Dementsprechend beurteilen sie die ihnen vorgelegten Bauvorhaben. Sie fragen nicht, ob ein Vorhaben den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst entspricht oder verunstaltend im Sinne des Gesetzes ist – dazu braucht man nicht hochqualifizierte Fachleute. Sie legen vielmehr selbstverständlich genau die Maßstäbe an die gestalterische Qualität eines Bauvorhabens an, die nach ihrer Meinung für ein hohes gestalterisches Niveau gelten müssen. Dass sie dies als ihren Auftrag verstehen sollen, ergibt sich auch klar aus den Vorbemerkungen zur Geschäftsordnung für den GBR: „Zielsetzung bei der Einrichtung des Gestaltungsbeirates (GBR) ist es, zu der Verbesserung des Stadtbildes beizutragen, die architektonische Qualität auf einem hohen Standard zu sichern ...“.

Gegen all dies wäre unter dem Gesichtspunkt eines gesetzestreuen Vollzuges der BayBO nichts einzuwenden, wenn das Votum des GBR lediglich der Beratung des Bauherrn und seines Architekten dienen sollte. Aber der Planungs- und Baureferent der Stadt Regensburg hat es klar gesagt: Das Votum des GBR wird vom Stadtrat, vom Oberbürgermeister und von der Verwaltung der Stadt als verbindlich angesehen. Das kann nur heißen: Das Baugesuch des Bauherrn, der sich diesem Votum nicht beugt, wird abgelehnt, die Baugenehmigung wird versagt8.

Der Grundsatz von der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, in einem Rechtsstaat immerhin ein fundamentaler Verfassungsgrundsatz, wird also in Regensburg bei den meisten größeren Bauvorhaben nicht beachtet.

  1. Das Selbstverständnis einer Stadt als Baugenehmigungsbehörde

Unabhängig davon stellt sich die Frage, warum eine Stadt, zumal eine Großstadt wie Regensburg mit ca. 140 000 Einwohnern, hochqualifizierte Fachleute aus dem ganzen Bundesgebiet9 und aus dem Ausland benötigen sollte, um Bauinteressenten in gestalterischer Hinsicht gut zu beraten. Sie verfügt über Mitarbeiter des höheren bautechnischen Dienstes mit Hochschulausbidung, die in der Lage sein müssen, eine qualifizierte Bauherrnberatung hinsichtlich einer guten gestalterischen Qualität – durchaus eine Aufgabe der Baugenehmigungsbehörde – zu leisten.

Die Antwort auf unsere Frage liegt auf der Hand. Gestaltungsfragen sind einer rationalen Beantwortung nur beschränkt zugänglich. Eine Stadtverwaltung, die die Gestaltung eines Bauvorhabens beeinflussen will, setzt sich, zumal bei einflussreichen Bauherren, immer der Gefahr der Kritik seitens des Stadtrates und der Öffentlichkeit aus. Das ändert sich, wenn man sich auf das Votum eines Gremiums von hochqualifizierten, renommierten Fachleuten stützen kann. Weder ein Stadtrat noch die örtliche Presse getrauen sich, das Votum eines Gremiums von Fachleuten mit Rang und Namen in Zweifel zu ziehen.

Hier wie überall in Deutschland gehört es aber zur Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, Verantwortung für eigene Entscheidungen selbst zu tragen, statt aus dieser Verantwortung zu flüchten. Wer dies nicht will, muss nicht in den öffentlichen Dienst treten. Der GBR ist daher eine reine Alibiveranstaltung. Er ist noch überflüssiger als der auf Bundesebene installierte "Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“, die sog. Wirtschaftsweisen: Ein guter Ministerialrat aus dem Bundeswirtschaftsministerium weiß genau soviel wie die Wirtschaftsweisen, aber mit einem solchen Gremium kann man Verantwortung, die man selber tragen sollte, bequem abschieben.

Die Stadt Regensburg ist stolz darauf, dass andere Städte ihrem Beispiel gefolgt sind und eigene Gestaltungsbeiräte geschaffen haben oder in nächster Zeit einrichten werden, unter ihnen die Städte Passau, Halle, Pforzheim, Ludwigsburg, Ingolstadt, Trier oder Lübeck10. Diese Entwicklung verwundert nicht, denn die Flucht aus der Verantwortung entspricht einem gemeindeutschen Trend („Kommissionitis“).

  1. Die Lage von Bauinteressenten und Aechitekten im Baugenehmigungsverfahren

Es stellt sich weiterhin die Frage nach dem Grund des im Sinne der Akzeptanz seiner Voten nicht zu bestreitenden praktischen Erfolges des GBR11.

Bauinteressenten, die sich an die Baugenehmigungsbehörde wenden, haben es fast immer eilig. Sie haben zumeist Grundstücke, Erbbaurechte oder andere Baurechte erworben oder entsprechende Vorverträge geschlossen. Sie haben oft schwierige Finanzierungsverhandlungen mit Banken oder anderen Stellen geführt, sie haben Architekten beauftragt und stehen Gewehr bei Fuß. Sie wollen verständlicherweise eine baldige Rendite aus dem von ihnen investierten Geld sehen. Zumindest stehen sie manchmal vor der Frage, ob sie ihr Geld an anderer Stelle, etwa auch außerhalb von Regensburg, investieren sollen.

Diese Lage der Bauinteressenten nützt die Stadt Regensburg nun mit Hilfe des GBR aus, um dessen Gestaltungsmaßstäbe durchzusetzen. Hier muss nochmals auf die Aussage des Planungs- und Baureferenten von Regensburg verwiesen werden: Das Votum des GBR wird als verbindlich behandelt. Der Bauherr, der sich nicht beugt, muss mit der Ablehnung seines Baugesuches rechnen. Einen jahrelangen Prozess mit der Stadt (und einen sich eventuell anschließenden ebenfalls Jahre lang dauernden Amtshaftungsprozess auf Schadenersatz) riskiert verständlicherweise niemand. Bei der Disziplinierung von Bauinteressenten geht die Stadt Regensburg sogar so weit, dass sie bloße Bauüberlegungen (ohne Baugesuch), die ihr durch eine Rücksprache bekannt werden, zum Gegenstand einer Vorlage an den GBR macht, auch ohne Zustimmung des Bauinteressenten, um diesen so abzuschrecken. Auch der vom Bauinteressenten beauftragte Architekt wird durch die Einschaltung des GBR leicht dupiert. Halten seine Gestaltungsvorstellungen den eigenwilligen Gestaltungsansprüchen des GBR, wie das häufig der Fall ist, nicht stand, so sieht er sich gegenüber seinem Auftraggeber, dem Bauinteressenten, herabgewürdigt und bloßgestellt.

Der GBR wird von der Stadt Regensburg also als ein - wirksameres - Mittel zur Erpressung von Bauherren und zur Herabwürdigung von Architekten eingesetzt.





  1. Die Bedeutung von Gestaltungsfragen für die bauliche Entwicklung einer Stadt

Es stellt sich schließlich die Frage nach der Bedeutung von Gestaltungsfragen für die bauliche Entwicklung einer Stadt.

In unseren Ausführungen wollte und sollte nicht auf die besonderen Fragen eingegangen werden können, die die besondere denkmalschützerische Qualität einer historischen Altstadt, zumal einer Altstadt vom Range Regensburgs, aufwirft. Hier sind in der Tat, auch rechtlich, besondere gestalterische Anforderungen zu stellen, bei deren Bewältigung der Stadt Regensburg der sachverständige Rat des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und des Bayerischen Landesdenkmalrates zur Verfügung steht. Wir wollten uns auf den unbeplanten Innenbereich außerhalb der Altstadt konzentrieren, worauf die Masse der Befassungen des GBR entfällt. Auch örtliche Bauvorschriften, wie sie Art. 91 BayBO auch für Gestaltungsfragen vorsieht, bleiben außer Betracht; für ihre Anwendung bedarf es keinesfalls eines Gestaltungsbeirates, andernfalls hätten sie ihr Ziel verfehlt.

Mit den Gestaltungsnormen des Art. 11 BayBO hat der bayerische Landesgesetzgeber - wie die übrigen Landesgesetzgeber auch - eine weise Entscheidung getroffen. Das ästhetische Empfinden eines gebildeten Durchschnittsbetrachters darf nicht verletzt werden, aber "schlechte Baukultur" diesseits dieser Grenze ist erlaubt. Solche Architektur findet man überall, zum Beispiel auch in München, Berlin oder Hamburg. Niemand wird deshalb diese Städte rundheraus für hässlich erklären. Unsere Städte bleiben lebenswert, auch wenn einzelne Bauvorhaben eine mindere Gestaltungsqualität aufweisen.

Es wäre im Übrigen ein Irrglaube zu meinen, dass ein Gestaltungsbeirat durchwegs in jedem Fall hohe gestalterische Bauqualität gewährleiste. Die Gestaltungsbeispiele, die die Stadt Regensburg beispielsweise auf Seite 43 ihrer Jubelbroschüre als Muster gelungener GBR-Befassung zeigt, sind nach Meinung des Verfassers eher als hässlich zu bezeichnen. Unterschiedliche Meinungen über das gestalterische Gelingen oder Misslingen bestimmter Baufälle wird es trotz eines Gestaltungsbeirates immer geben. Eine Schönheitsgarantie gibt es nicht.

  1. Zusammenfassung

Der Gestaltungsbeirat von Regensburg mag in der Mehrzahl der Fälle zu einer hohen gestalterischen Qualität von Bauvorhaben führen. Der Preis dafür ist jedoch hoch:

  • Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung wird missachtet.

  • Der GBR ist eine Alibiveranstaltung, mit der die Verwaltung der Stadt aus der sie treffenden Verantwortung flüchtet.

  • Die Bauherren werden erpresst und die Architekten werden herabgewürdigt.

  • Die angestrebte hohe gestalterische Qualität ist nicht garantiert.

Der Schweizer Diplomat, Schriftsteller und Historiker Carl Jacob Burckhardt schrieb einmal:

" ... mir scheint, im wirklichen Geschmack hält sich ein sittliches Arkanum verborgen. Deshalb würde ich auch sagen, Ästheten verstehen so wenig von den Dingen des Geschmackes, weil sie das Problem von der falschen Seite angehen, eben nicht von der sittlichen. "12

Burckhardt hatte Recht.



1 Die Geschäftsordnung, die für viele Bauinteressenten von Bedeutung ist, ist noch nicht eimal im Amtsblatt der Stadt veröffentlicht, in dem sonst viel Unbedeutendes abgedruckt wird. Auf S. 51 f. der genannten Broschüre ist sie – auszugsweise – wiedergegeben.

2 Aus dem Kontext der gesamten Geschäftsordnung ergibt sich, dass es sich bei der Anführung der städtebaulichen, architektonischen und gestalterischen Qualitäten um einen Pleonasmus handelt. Gemeint sind die gestalterischen Qualitäten.

3 Bisher ein Architekt aus Zürich und ein Architekt aus Kopenhagen.

4 Nach den Vorbemerkungen der Geschäftsordnung sollen sogar die Auswirkungen auf das Landschaftsbild beurteilt werden. Im Inhalt der Geschäftsordnung kehrt dieses Beurteilungskriterium aber nicht wieder.

5 Dazu kommen in Abs. 2 Satz 2 noch hier nicht interessierende Regelungen für Werbeanlagen.

6 So z. B. Simon/Busse, Kommentar zur BayBO 1998, Bd. I, Rdnr. 119 zu Art. 11; in Rdnrn. 116 – 149 zahlreiche Nachweise aus der Rechtsprechung.

7 Ebenso Simon/Busse (wie Fußn. 6), Rdnr. 20 zu Art. 11.

8 Warum es in der Praxis kaum zu Ablehnungen kommt, werden wir unter 4 darlegen.

9 Im Zeitraum 1998 – 2001 gehörten dem GBR Fachleute aus Köln (1), Lübeck (1), München (3) und Berlin (1) an. Wegen der Ausländer sh. Fußn. 3.

10 Mitteilung des Leiters des Bauordnungsamtes der Stadt Regensburg an den Verfasser.

11 Nach der Projektliste auf S. 44 – 47 der eingangs erwähnten Broschüre ist der GBR in der Zeit von Mai 1988 (1. Sitzung) bis Dezember 2001 (22. Sitzung) insgesamt 125mal mit Bauvorhaben befasst worden. Davon sind 26 fertig gestellt, 38 in Bau und 39 in – offenbar GBR-konformer – Planung (zusammen 103). Der Rest wurde nicht weitergeführt, ist genehmigt oder noch nicht genehmigt.

12 Carl J. Burckhardt, Briefwechsel mit Hugo von Hofmannsthal, S. Fischer Verlag, 1956; zitiert aus dem Beschluss des OVG Münster vom 01. 07. 1958, BbauBl. 58, 24.

Die Geschmacksdiktatur der Stadt Regensburg

Der Streit um das sogenannte Rebl-Haus zeigt einmal mehr die Richtigkeit des schon von den alten Römern geprägten Satzes: De gustibus non est disputandum – über Geschmacksfragen lässt sich nicht vernünftig streiten. Den einen gefällt das Haus mit seiner die Monotonie von Allerweltsbauten auflockernden fröhlichen Farbigkeit – z. B. auch mir -, anderen gefällt es nicht. Diese anderen sind, wenn man den Leserzuschriften an die MZ glauben will, wohl in einer deutlichen Minderheit. Nun hat die Stadt Regensburg, deren maßgebliche Beamten offenbar zu dieser Minderheit gehören, als Alibiveranstaltung ihren Gestaltungsbeirat eingeschaltet. Zu dieser – gesetzlich keineswegs vorgeschriebenen – Einrichtung habe ich schon im Jahre 2003 in einer längeren Abhandlung Stellung genommen. Die MZ hat dazu 2004 ein Interview mit mir und dem Leiter des städtischen Bauordnungsamtes, Rechtsdirektor Maximilian Raab, veröffentlicht. Ich war damals zu folgenden Ergebnissen gekommen:

  • Durch die städtische Praxis, sich bei der Erteilung von Baugenehmigungen an die Empfehlungen des Gestaltungsbeirates zu halten, wird der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung missachtet.

  • Der Gestaltungsbeirat ist eine Alibiveranstaltung, mit der die Verwaltung der Stadt aus der sie treffenden Verantwortung flüchtet.

  • Die Bauherren werden erpresst und die Architekten werden herabgewürdigt.

  • Die angestrebte hohe gestalterische Qualität ist nicht garantiert.

Daran halte ich in vollem Umfang fest. Ergänzend ist anzumerken, dass die Schaffung und ständige Einschaltung des Gestaltungsbeirates eine dauernde Verschwendung von Steuergeldern darstellt. Es wäre sehr erfreulich, wenn Herr Rebl sich durch Unnachgiebigkeit gegenüber der Geschmacksdiktatur der Stadt und ihres Gestaltungsbeirates dies alles verwaltungsgerichtlich bestätigen ließe.

Zu welchen Ergebnissen diese Geschmacksdiktatur führen kann, lässt sich an zwei Beispielen zeigen, für die ich Fotos beifüge:

  • Ein extrem hässlicher Turmbau am Herrenplatz, also in der Regensburger Altstadt, ist vom Gestaltungsbeirat und der Stadt abgesegnet worden.



  • Neuerdings befindet sich an der Kumfmühlerstraße, gegenüber dem altehrwürdigen Justizgebäude, auf dem Areal der Englischen Fräulein, ein ebenso extrem hässlicher, gefängnisartiger Neubau. Er ist zumindest von der Stadt Regensburg und annahmsweise auch vom Gestaltungsbeirat genehmigt worden



Im Jahre 2002 schrieb der damalige städtische Planungs- und Baureferent in einer von der Stadt herausgegebenen Broschüre, in der auch der Turm am Herrenplatz abgebildet war: „Ich hoffe, allen Lesern wird ersichtlich, welcher Gewinn für die städtebauliche und architektonische Entwicklung Regensburgs die Einrichtung dieses unabhängigen Gremiums aus erfahrenen und angesehenen Architekten darstellt.“ Ich meinerseits hoffe, dass allen Lesern nun endgültig die Geschmacksdiktatur der Stadt Regensburg mit ihren manchmal das Stadtbild geradezu verunstaltenden Ergebnissen deutlich wird.

Dieter Baldauf, Stadtdirektor a. D.